Jazzmusik in Österreich: Eine lebendige Szene zwischen Tradition und Avantgarde

3. Mai 2025

Jazzmusik in Österreich

© Drop of Light/Shutterstock.com

Jazz ist in Österreich kein Randphänomen. Vielmehr hat sich das Land über Jahrzehnte zu einem pulsierenden Zentrum für improvisierte Musik entwickelt, das mit Vielfalt, Innovation und einer starken Szene beeindruckt. Ob in den großen Konzertsälen Wiens, den Clubs von Graz oder bei Festivals in alpiner Kulisse – Österreichs Jazzlandschaft ist lebendig, international vernetzt und geprägt von starken Persönlichkeiten. In diesem Blogartikel führen wir dich durch die Geschichte, die wichtigsten Musiker:innen, die bedeutendsten Spielstätten und Festivals der österreichischen Jazzszene.

Die Anfänge: Wie der Jazz nach Österreich kam

Der Jazz kam in den 1920er-Jahren aus Amerika nach Europa und fand über die Ballsäle und Cafés von Paris, Berlin und Wien seinen Weg ins Österreich der Zwischenkriegszeit.

In Wien wurde der Jazz zunächst mit Argwohn betrachtet. Doch bald bildeten sich erste Ensembles, oft beeinflusst vom amerikanischen Swing, aber auch von Wiener Salonmusik. In den 1950er-Jahren begann sich eine eigenständige Szene zu formieren. Musiker wie Hans Koller, der erste international bekannte österreichische Jazzsaxophonist, standen für eine Öffnung zum Modern Jazz.

Hans Koller, Joe Zawinul und die Pioniere des österreichischen Jazz

Hans Koller (1921–1903) gilt als Wegbereiter des Jazz in Österreich. Mit seinem lyrischen Saxophonspiel beeinflusste er eine ganze Generation. Koller spielte mit Legenden wie Stan Kenton und Oscar Pettiford und trug wesentlich zur Etablierung des Jazz als ernstzunehmende Kunstform bei.

Ein weiterer bedeutender Name ist Fritz Pauer (1943–2012), Pianist und Komponist, der den österreichischen Jazz ab den 1970er-Jahren maßgeblich mitprägte und auch als Lehrer an der Musikhochschule Wien Generationen von Musiker:innen beeinflusste.

Unvergessen bleibt Joe Zawinul (1932–2007), einer der größten Jazzmusiker, die Österreich je hervorgebracht hat. Als Keyboarder und Komponist wurde er mit dem „Weather Report“-Projekt weltberühmt. Zawinul kombinierte Jazz mit Weltmusik, Funk und Elektronik und spielte u. a. mit Cannonball Adderley und Miles Davis. Sein Kompositionsstil war bahnbrechend, seine Stücke wie „Birdland“ sind Jazz-Klassiker. In Wien wurde ihm mit dem Zawinul Foundation for Achievement ein musikalisches Erbe gesetzt, das junge Talente unterstützt.

Die neue Szene: Vielstimmigkeit und Experimente

Heute steht Österreichs Jazzszene für eine bemerkenswerte Bandbreite von Stilen. Von traditionellem Swing über Latin- und Ethno-Jazz bis hin zu Free Jazz und elektronischer Improvisation ist alles vertreten. Besonders bekannt ist die Szene für ihre Offenheit gegenüber Crossover-Projekten und interkulturellem Austausch.

Zu den wichtigsten zeitgenössischen Musiker:innen zählen:

  • Wolfgang Muthspiel: Der international erfolgreiche Gitarrist, der in New York und Wien lebt, verbindet Jazz mit Kammermusik und World Music.
  • David Helbock: Der Vorarlberger Pianist ist bekannt für seine virtuosen Solo-Performances und innovativen Trio-Projekte.
  • Lorenz Raab: Der Trompeter bewegt sich zwischen Avantgarde, Groove und Kammerjazz.
  • Viola Falb: Saxophonistin und Komponistin, die mit ihrem Quartett Falb Fiction neue Klangwelten erschließt.
  • Philipp Nykrin: Pianist, Komponist und Mitbegründer des Jazzkollektivs „Sketchbook Quartet“.

Diese Musiker:innen stehen stellvertretend für eine neue Generation, die sich nicht auf Stilgrenzen beschränkt, sondern mit verschiedenen Genres, Instrumenten und Ausdrucksformen experimentiert.

Jazzmetropole Wien

Wien ist ohne Zweifel das Zentrum der österreichischen Jazzszene. Hier befinden sich nicht nur die wichtigsten Ausbildungsstätten – etwa das Institut für Popularmusik (ipop) der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien – sondern auch zahlreiche Spielstätten:

  • Porgy & Bess: Der bekannteste Jazzclub Österreichs. Internationales Programm, experimentelle Projekte und legendäre Clubabende.
  • Jazzland: Der älteste Jazzclub Wiens (seit 1972), berühmt für seine intime Atmosphäre und den Fokus auf klassischen Jazz.
  • Sargfabrik: Ort für musikalische Grenzgänge mit Schwerpunkt auf World Music und Jazz.

Daneben gibt es viele kleinere Venues, Sessions und Off-Spaces. Das Publikum ist durchmischt, interessiert und offen für Neues.

Graz: Jazzhochburg mit Tradition

Graz hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer der wichtigsten Ausbildungsstätten Europas für Jazz entwickelt. Das Institut für Jazz an der Kunstuniversität Graz wurde bereits 1965 gegründet und zieht bis heute Studierende aus aller Welt an.

Viele bekannte Musiker:innen wie Heinz von Hermann, Karl Ratzer oder Klemens Marktl haben hier gelehrt oder studiert. Graz ist ein Schmelztiegel für junge Talente, stilistische Vielfalt und musikalische Exzellenz.

Clubs wie das Stockwerk Jazz oder das Tube’s bieten regelmäßige Konzerte, und die Stadt ist Gastgeberin zahlreicher Festivals.

Jazzfestivals in Österreich: Zwischen Bergen und Großstadt

Österreichs Jazzfestivals sind so vielfältig wie die Musik selbst. Einige der wichtigsten:

  • INNtöne Jazzfestival (Oberösterreich): Ein Festival am Bauernhof! Gegründet vom Jazzbäuer Paul Zauner, verbindet es internationale Stars mit ländlicher Idylle.
  • Jazzfestival Saalfelden (Salzburg): Eines der renommiertesten Festivals für Avantgarde- und Improvisationsmusik in Europa.
  • Vienna Jazz Festival: Spielt an unterschiedlichen Orten in der Stadt, darunter das Konzerthaus, das Rathaus und das MuseumsQuartier.
  • Jazzfestival Leibnitz (Steiermark): Kombiniert lokale Talente mit internationaler Klasse.
  • Klangspuren Schwaz (Tirol): Weniger Jazz, aber viele Crossover-Projekte und experimentelle Formate.

Diese Festivals machen Jazz greifbar – auf Almhütten, in Konzertsälen, auf Stadtplätzen und in Kellertheatern.

Nachwuchs und Ausbildung

In Österreich gibt es ein dichtes Netz an Ausbildungseinrichtungen für Jazz. Neben Wien und Graz bieten auch Linz, Salzburg und Innsbruck Studienmöglichkeiten an. Besonders hervorzuheben:

  • Bruckneruniversität Linz: Starke Verbindung von Klassik und Jazz
  • Mozarteum Salzburg: Klassisch geprägt, aber offen für neue Formate
  • Jam Music Lab Wien: Private Hochschule mit Praxisbezug

Zudem gibt es zahlreiche Jugendwettbewerbe wie „Podium Jazz.Pop.Rock“ oder Workshops wie Jazzseminare Saalfelden, die jungen Musiker:innen eine Bühne bieten.

Internationale Vernetzung

Österreichische Jazzmusiker:innen sind international gefragt. Viele touren weltweit, unterrichten an Hochschulen im Ausland oder arbeiten in transnationalen Projekten. Gleichzeitig ist Österreich selbst Gastgeber für internationale Stars.

Die Szene ist offen, vernetzt und innovationsfreudig. Es entstehen immer neue Formate: Jazz trifft Elektronik, trifft Volksmusik, trifft Hip-Hop.

Jazz und Medien

Trotz der begrenzten medialen Präsenz in den Mainstream-Medien gibt es engagierte Formate:

  • ORF Ö1 bietet mit Sendungen wie „Jazznacht“ oder „Spielräume“ regelmäßig Einblicke in die Szene.
  • Magazine wie Concerto oder freistil berichten über neue Veröffentlichungen, Konzerte und Entwicklungen.
  • Podcasts und YouTube-Kanäle gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Fazit: Ein kleines Land mit großer Stimme

Jazz in Österreich ist mehr als nur eine Nische. Er ist Teil einer kulturellen Vielfalt, die sich aus Traditionen speist und doch stets Neues wagt. Von Wien bis Saalfelden, von der Universität Graz bis zum Jazzkeller am Land: Die Szene lebt.

Wer sich auf die Musik einlässt, wird belohnt mit Energie, Tiefe und Kreativität. Jazz ist Dialog, Improvisation, Freiheit – und genau das braucht unsere Zeit. Ob auf der großen Bühne oder im kleinen Club: Jazz in Österreich ist lebendig, mutig und offen für die Welt.

Ein Konzertbesuch oder Festivalwochenende reicht oft, um sich fürs Leben in diese Musik zu verlieben. Und vielleicht trifft man dort auf einen jungen Hans Koller oder Joe Zawinul von morgen – oder wird selbst Teil dieser einzigartigen Szene.